Waldsaatgänse, Seeadler und Feldbiologen
Wir können auf viele erfolgreiche HABITRACK-Fangaktionen von Watvögeln, Enten und Gänse im Frühjahr und Sommer 2024 zurückblicken. Zum Beispiel wurden über 30 Pfeifenten und Spießenten in den Niederlanden, Finnland und Frankreich markiert, mit relativ hohen Rückkehrquoten im Herbst. Außerdem wurden 16 brütende und 4 mausernde Waldsaatgänse im Norden Finnlands erfolgreich mit HABITRACK-GPS-Sendern ausgestattet.
Eine Feldaktion zur Markierung von Individuen der noch relativ unbekannten westlichen Population der Waldsaatgänse in Mecklenburg-Vorpommern (Deutschland) stellte jedoch ernsthafte Herausforderungen dar. Zusammen mit einem niederländischen Gänsefänger und seinen zahmen Lockgänsen wurden Anfang November 2024 Netze in einem Gebiet aufbaut, in dem viele Wildgänse die hochwertigen Nahrungsquellen aus Ernteabfällen und Grünland nutzen.
Am ersten Tag konnten wir eine Gans mit einem GPS-Sender ausstatten; am zweiten Tag zwei Gänse; am dritten Tag drei… Das schien ein guter Anfang zu sein, und bei einer geplanten Dauer der Fangaktion von insgesamt 20 Tagen waren die Erwartungen an die weitere Entwicklung dieser Zahlen hoch. Wir waren optimistisch, eine gute Stichprobengröße markierter Vögel zu erreichen. Doch viele Seeadler hielten sich in der Fangregion auf, vermutlich angelockt durch die große Zahl an Gänsen – also Futter, die nur zu dieser Jahreszeit dort anzutreffen sind. So sehr der Anstieg der Seeadlerzahlen von Naturschützern (zu denen wir uns auch zählen) geschätzt wird, waren wir bei unserer Fangaktion sehr besorgt um die Sicherheit der zahmen Lockgänse, insbesondere nachdem ein Adler am vierten Tag einen ersten Angriff auf sie versuchte.
Aus unseren Studien wissen wir, dass Gänse keineswegs dumm sind, ihre Migration genau an entfernte Wetterbedingungen anpassen und vorsichtig auf Störungen reagieren. Aber die Gerissenheit der Seeadler überraschte uns: Nach nur wenigen Tagen erkannten sie, dass wir Gänse zu diesem spezifischen Feld lockten, und sahen dies als Einladung zu einer Fütterungsgelegenheit. Nach dem sechsten Tag störten sie schlichtweg jede Fangaktion, stürzten sich auf uns herab und verletzten sogar zahme Vögel. Wir mussten die Aktion vorzeitig abbrechen. Insgesamt wurden fünf Waldsaatgänse in Mecklenburg-Vorpommern für das HABITRACK-Projekt markiert.
Leider hörte das Pech damit nicht auf. Bereits nach wenigen Tagen sendete einer der Sender wiederholt Signale vom gleichen Standort und schien unbewegt. Vor Ort fanden wir den Sender mit Schrotkugeln im Kunststoffgehäuse. Es war klar, dass die Gans erschossen wurde, was in Deutschland illegal ist. Eine Woche später musste ein weiterer Sender geborgen werden, diesmal neben Federn, die von einem Raubtier – höchstwahrscheinlich einem Seeadler – zurückgelassen waren. Die drei verbleibenden Sender zeigen weiterhin die Bewegungen der Vögel, von denen einer sogar zur Ostseeküste zog. Es bleibt abzuwarten, ob dies der erste markierte Vogel sein wird, der auf eine Vermischung der verschiedenen Waldsaatganspopulationen in Skandinavien und Norddeutschland hinweist.
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